Italien Philatelie - Beleg des Monats

Beleg des Monats 01/2018

 1892: Alexandrie -> St. Gallen

1892: Alexandrie -> St. Gallen

Ein Brief von Alexandria nach St. Gallen in einer Italien-orientierten Kolumne? Warum nicht? Post aus dem oberitalienischen Alexandria (ungefähr auf der Hälfte zwischen Turin und Mailand gelegen) in die Schweiz sollte nicht allzu selten sein - die Handelsbeziehungen zwischen Italien und der Schweiz waren zu allen Zeiten gut.

Aber schon die ägyptische Ganzsache zeigt, dass wir uns nicht in Oberitalien, sondern südlich des Mittelmeeres befinden. Der zweisprachig französisch/arabische Aufgabestempel beseitigt alle Unklarheiten. Die französische Sprache im Stempel (und im Vordruck der Ganzsache) ist allerdings kein Hinweis, dass dieser Brief im französischen Postamt in Alexandria aufgegeben worden ist, sondern den UPU Regeln geschuldet, welche die Lateinische Schrift für Auslandspost zwingend vorschrieben. Ähnliche zweisprachige Stempel für Auslandspost gibt es z.B. in Japan.

Wie James van der Linden uns gezeigt hat, war Alexandria (in Ägypten) im 19. Jahrhundert eines der vier wichtigsten Postämter der Welt, da hier ein Großteil der durch den Suezkanal kommenden Post auf die Schiffe nach Europa verteilt wurde.

Und sowohl die Dampfer nach Marseilles und Southampton als auch die nach Triest mußten an Brindisi vorbei, und luden dort in der Regel Post aus. In einigen brittischen Gebieten (Hong Kong, Straits Settlements) gibt es Ganzsachen, bei denen "Via Brindisi" eingedruckt ist (und deren Tarif teurer als der "normale" Weg war), den die Eisenbahnverbindung (Turin-)Mailand-Brindisi war wesentlich schneller als der Dampfer um den Stiefel herum nach Marseilles.

Neben dem Ankunftstempel von St. Gallen findet sich auf der Rückseite ein Transitstempel von Brindisi ...

Briefe aus Ostasien, sind in den 1890er Jahren in der Regel im "geschlossenen Transit" durch Brindisi gelaufen, d.h. die abgehende Postverwaltung hatte Päckchen gepackt, die dann "geschlossen" zur Zielpostverwaltung befördert wurden - die Transitstempelung eines jeden Briefes, wie sie in Vor-U.P.U.-Zeiten üblich war, um die Abrechnungen zwischen den beteiligten Postverwaltungen zu erleichtern, fiel ja mit der Gründung des Weltpostvereins (U.P.U.) weg.

Nicht völlig auszuschliessen ist, dass die Postbeamten in Alexandria den hier gezeigten Umschlag versehentlich in ein Italien-Bündel gelegt haben, welche natürlich in Brindisi geöffnet wurden (Post in die Süden Italiens mußte ja nicht erst nach Mailand oder Bologna gefahren werden, sondern konnte eventuell schon vorher umgeleitet werden.

Ich denke, dass dieser Brief von vorneherein im "offenen" Transit war, weil es aus Alexandria an diesem Tag nicht all zu viel Post in die Schweiz gab ...

Für Interpretationsideen - oder auch Fehlerkorrekturen - reicht eine kurze email an mich.

Stephan Jürgens, AIJP, sfj@italien-philatelie.de