Italien Philatelie - Beleg des Monats

Beleg des Monats 12/2020

 Nadellöcher im Brief

Nadellöcher im Brief

Neapel - Berlin. Sicherlich nicht die häufigste Relation im italienisch-deutschen Postverkehr, aber sicherlich auch keine Rarität. Diese Aussage dürfte für alle Perioden der moderneren Postgeschichte richtig sein.

Aber auch die 40 c Einzelfrankatur aus der De La Rue Serie lockt keinen hinter dem Ofen hervor. Sicher, bei eBay für einen Euro eingestellt, bringt sie sicherlich ihre zehn Euro, in guter Qualität auch ein wenig mehr. Aber so wie hier? Die Marke kopfstehend geklebt, entwertet mit einem immerhin übergehenden Stempel, den man sich durchaus klarer vorstellen kann, nicht postalische Blaustiftschmierereien auf der Vorderseite, Flecken und last not least zwei Löcher (eins nadelstichgroß, das andere ein wenig größer) in der Vorderseite - das reist nicht mal der schöne handschriftliche Leitvermerk "Via Austria" raus. Der rückseitige Durchgangsstempel vom 2 März (18)68 aus Verona (seit 1866 italienisch und nicht mehr österreichisch) zeigt an, dass dieser Leitvermerk beachtet wurde.

Bemerkenswert ist allerdings der zweite auf der Rückseite angebrachte Stempel. Er ist recht unscheinbar, den er besteht lediglich aus einem Datum (ohne Jahr) und der Uhrzeit. Ein Abklatsch dieses Stempels ist auf der Vorderseite des Briefes sichtbar. Und auf der Vorderseite finden wir noch zwei weitere interessante Dinge: zwei Nadellöcher. Eines oberhalb des N der Niederlag Strasse (dieses ist ein wenig ausgerissen und relativ gut sichtbar), und ein zweites Nadelloch ca. 2,5 cm links neben dem ersten.

Und insbesondere diese Nadellöcher sind der Beweis, dass dieser Brief durch die Hinrichsen Briefstempelmaschine gegangen ist, denn diese Maschine verwendete Walzen mit Nadeln für den Transport der Briefe durch die Maschine. Mit dem 5. 3. (1868) befinden wir uns deutlich in der ersten Berliner Versuchsphase dieser Maschine, die von Kohlhass/Riese mit dem Zeitraum 26.8.1867 - 8.4.1868 angeben wird. Nicht destotrotz ist dieser Beleg ein Traum für eine deutschen Sammler italienischer Maschinenstempel.

Kohlhass/Riese geben im Anhang ihres Buches den kompletten Erprobungsbericht vom 27. 4.1868 des Postdirectors Johannesson vom Generalpostamt der Kaiserlichen Oberpostdirektion Berlin wieder. Aus diesem Bericht möchte ich mit einigen Zitaten schließen

... Zunächst wird bemerkt, daß auf der Maschine überhaupt nur gewöhnliche Briefe gestempelt werden können. Geldbriefe, recommandirte Briefe, Geldablieferungs-Scheine, Postanweisungen, Briefe mit Behändigungsschein, Postkarten, starke Kreuzbandsendungen, Briefe mit Warenproben, Halb Folianten eignen sich zur Abstempelung auf der Maschine nicht. Von den gewöhnlichen Briefen müssen aber auch wieder diejenigen von starkem Formate von der Maschine ferngehalten werden. Es ist daher nothwendig, daß die in den Briefbunden enthaltenen Sendungen erst gesondert, d.h. in solche, welche auf der Maschine und solche, welche aus freier Hand zu stempeln sind, gethielt werden müssen. Nach der Sonderung sind die für die Maschine bestimmten Briefe so zu stellen, daß dieselben genau und für den Zweck passend aufeinander liegen. Diese Manipulation erfordert einen nicht geringen Zeitaufwand und die hiesigen Verhältnisse machen es nothwendig, daß drei Unterbeamte, von denen der eine die Maschine bedient, der andere die Gegenstände sortiert und die auf der Maschine abzustempelnden Briefe aufsetzt und der Dritte die für die Maschine nicht geeigneten Gegenstände stempelt, gleichzeitig beim Stempelgeschäft sich zu betheiligen haben. Bei der Handabstempelung reichen 3 Kräfte ebenfalls aus und diese leisten in derselben Zeit mindestens dasselbe, was die Maschine zu leisten vermag. Die Maschine stempelt nämlich in der Minute 3 - 400 Briefe, drei Stempler bedrucken in der Minute ca. 500 Briefe mit dem Ankunftsstempel, mithin werden durch die Anwendung der Maschine weder Unterbeamten Kräfte noch Zeit gewonnen. ...

... Ein großer Theil der Briefe, mindestens 8-10 Procent, bleibt ungestempelt. Dieser Umstand zeigt sich in hohem Grade, sobald die zu stempelnden Briefe nicht alle von gleicher Stärke sind ...

... Die Couverts der Briefe zeigen auf der Adreßseite mehr oder weniger Spuren von der Berührung, welche dieselben von einigen der neun in 3 Reihen in der Walze befindlichen, beweglichen Nadeln erhalten. ...

Literatur

Walter Kohlhaas, Inge Riese: Die Hinrichsen-Stempelmaschinen Infla-Berlin / Poststempelgilde e.V.; Soest, 1993

Für Interpretationsideen - oder auch Fehlerkorrekturen - reicht eine kurze email an mich.

Stephan Jürgens, AIJP, sfj@italien-philatelie.de