Italien Philatelie - Beleg des Monats

Beleg des Monats 10/2021

 Postfälschungen mit ein wenig Hilfe durch die Post ...

Fälschungen mit ein wenig Hilfe durch die Post ...

Fälschungen sind ein zweischneidiges Schwert in der Philatelie, den wir Sammler unterscheiden zwischen Fälschungen zum Schaden der Post (auch Postfälschungen) und Fälschungen zum Schaden der Sammler. Während wir die ersteren mehr oder weniger gerne teuer bezahlen, sind viele Sammler (und ich sicherlich auch) auf letztere reingefallen und haben für philatelistisch wertloses Altpapier zu teuer bezahlt.

Die hier besprochene Karte ist ein klassischer Beifang, die in einem Sammellos war, welches ich wegen anderer Belege haben wollte. In sofern weiß ich nichtmal, was ich für diese Karte bezahlt habe.

Fangen wir aber erstmal an, zu beschreiben, was wir hier haben: wir sehen zum einen ein Zwischenstegpaar des (grünen) 25 Lire Wertes der Europamarken von 1959. Diese Zwischenstegpaare sollte es eigentlich nicht geben - die Stege teilen den Druckbogen in Schalterbogen - aber sie sind nicht so selten, wie mancher gerne hätte. Die Druckbogen scheinen häufiger ungeschnitten an die Postämter geliefert worden zu sein. Ein - zwei Euro Aufschlag auf den Katalog- oder Handelswert der Marken kann man für diese Zwischenstegpaare durchaus bewilligen. Und Spezialsammler, denen noch genau diese Marke im Zwischenstegpaar fehlt, zahlen sicherlich auch ein wenig mehr.

Aber nur für dieses Zwischenstegpaar hätten ich dem Beleg nicht diese Kolumne gewidmet. Es geht im wesentlichen um die blaue "Marke" neben dem Zwischenstegpaar. Auf dem obigen Bild mag dies wie ein ungezähntes Exemplar des 60 Lire Wertes der 1959 Europamarken wirken. Aber wer die Karte in Händen hält sieht, dass es sich nicht um solches handelt. Das Papier, auf dem diese "Marke" gedruckt ist, ist wesentlich dicker, weißer und glätter als das Papier, auf dem Italien in dieser Zeit Briefmarken gedruckt hat.

Also haben wir hier einen Probedruck, den ein Philatelist postalisch verwendet hat? Eher nein. Meines Erachtens handelt es sich um einen Ausschnitt aus den Ankündigungsblättern, wie sie für jede Briefmarke(nserie) erstellt und in den Postämtern ausgehängt wurden, sowie der Presse zur Verfügung gestellt wurden. Ausschnitte aus diesen Ankündigungsblättern waren meines Erachtens nicht frankaturgültig. Nicht destotrotz kommen solche Ausschnitte auf gelaufenen Briefen und wie hier Postkarten vor. Und natürlich handelt es in diesen Fällen dann um vollendeten Betrug an der Post. Ich denke, dass ich in den letzten Jahren so circa 50 verschiedene derartige Belege gesehen habe, die teilweise für hohe zweistellige Eurobeträge in den Kisten deutscher Briefmarkenhändler stehen. Einen Beleg, bei dem dieser Betrug durch die Post entdeckt und mit Nachporto belegt wurde, kenne ich nicht.

Aber handelt es sich wirklich um Betrug an der Post oder klebt da nur etwas neben den richtigen Marken, was für die Bezahlung der Beförderungsdienstleistung keine Bedeutung hatte? Schauen wir uns dazu noch kurz die anderen Elemente der Karte an: links vom Zwischenstegpaar klebt ein typischer italienischer R-Zettel, dessen Orts"eindruck" ebenfalls nicht untypisch, angebracht wurde, nachdem das Label auf der Karte aufgeklebt wurde. Und diese Ortangabe passt zur Ortsangabe, mit der die Marken entwertet sind und ist andererseits wunderschön übergehend angebracht - sehr unwahrscheinlich dass hier nachträglich manipuliert wurde. Und als weiteres Elemend haben wir einen (kopfstehenden) Stempel WIEN 15 09 04 60 auf der Karte, welcher inhaltlich zu dem oberhalb der Marken stehenden AUSTRIA passt. Ankunftstempelung für normale Post dürfte auch Österreich um diese Zeit nicht mehr gemacht haben, aber für Sonderdienste wie Einschreiben oder Eilzustellung ist dies nicht so ungewöhnlich. Trotz ausradierter Anschrift können wir meines Erachtens davon ausgehen, dass diese Karte am 7. April 1960 in Marinella(di) Seligunte als Einschreiben aufgegeben wurde und am 9. April in Wien zugestellt wurde.

Zurück zum Postbetrug: hierzu müssen wir einen Blick in die Tariffe für das Frühjahr 1960 werfen, was glücklicherweise recht einfach ist, stellt doch unser Freund Giorgio Mastella auf seiner Webseite gm-storiapostale.it die Tarife der ersten 50 Jahre der Republik recht übersichtlich dar. Der Seite für Postkarten-Tarife entnehmen wir, dass in der Tarifperiode 1. Oktober 1957 bis 30. Juni 1960 eine Postkarte 35 Lire kostete, und das die Einschreibgebühr 90 Lire betrug, wir insgesamt also bei 125 Lire liegen - also wäre die Karte also um 15 Lire unterfrankiert. Aber Moment: wir haben noch den Tarif Cartolina illustrata entro 5 parole (Ansichtskarten mit maximal 5 Worten) von 15 Lire, zuzüglich der Einschreibgebühr wären wir also bei 105 Lire, sodass diese Karte augenscheinlich um 5 Lire überfrankiert wäre. Dieser typische Touristen-Tarif ist natürlich den Postbeamten eines Küstenörtchens im Westen Siziliens geläufig. Wenn man nach Marinella Seligunte googlet, bekommt man erstmal einige Hotelempfehlungen, bevor man auf Seiten stösst, die einem etwas zur Geschichte und Lage des Ortes sagen. Tourismus ist sicherlich heute noch ein wesentlicher Wirtschaftszweig dort.

Bildseite der Karte, die inhaltlich zur archäologischen Fundstätte Selinunt passt, mit der Inschrift aber auf das weiter südöstliche liegende GELA verweist, wo es ebenfalls eine archäologischen Fundstätte gibt.

Haben wir es hier mit einem Philatelisten zu tun, der wusste was er tat, und bewußt die Karte so frankiert hat, oder doch nur einen Geschichtsbegeisterten Touristen, der sich verschiedene archäologische Stätten im Süden Siziliens angesehen hat, und seine Urlaubskarten beim Hotelportier abgegeben (und bar bezahlt) hat ... für letzteres spricht, dass der der Schalterbeamte auf jedenfall mitgespielt haben muss, den der Ausschnitt ist wirklich offensichtlich. Für ersteres spricht natürlich, dass die Karte neute noch erhalten ist, und das die Adresse offensichtlich mit Bleistift geschrieben war, während das Austria mit Kugelschreiber nachgetragen wurde ...

Für Interpretationsideen - oder auch Fehlerkorrekturen - reicht eine kurze email an mich.

Stephan Jürgens, AIJP, sfj@italien-philatelie.de